Geschlossenes Bowling-Center

Es war ein denkbar offensichtlicher Anachronismus, dieses mitten im Klassenfeindesland gelegene Bowling-Center. Leicht wäre es doch gewesen, bei der deutschen Ursprungsform dieses Präzisionssports, dem Kegeln, zu bleiben – nein, die amerikanische Variante musste es sein. Aber wie es den meisten […]ismus-Abstrakta so eigen ist, so war auch im (real existierenden?) Sozialismus nicht immer alles so ohne weiteres mit sachlicher Logik zu erklären. Dieses Bowling-Center war ein bisschen wie ein Steakhaus in Indien oder ein Boutique für Damen-Bademoden in Saudi-Arabien. Aber es war da. Da wiederum auf dieser Welt kaum etwas wirklich ohne Grund passiert, hatte auch dies sicher einen. Ohne den damals oder heute offiziellen oder damals oder heute inoffiziellen oder vielleicht auch noch ganz anderen Grund zu kennen, vermute ich, dass es etwas mit der in dieser Stadt jährlich stattfindenden gleichnamigen Messe zu tun hatte. Man wollte sich wohl modern, weltoffen und tolerant präsentieren. Vielleicht war das der oder zumindest ein Mit-Grund. Jedenfalls galt auch im Leipzig der DDR-Zeit die alte Korrelation: je weniger Sein, desto mehr Schein. Nicht dass es in der DDR annähernd so fürchterlich zuging, wie heute noch in Nordkorea, aber im Extrem liegt ja manchmal die Anschauung: Kaum genug zu Essen aber Militärparaden und Staatsaufführungen, die an Gigantismus kaum zu überbieten sind – alles im Namen des heilsbringenden Sozialismus. Wie auch immer der damalige Grund tatsächlich gewesen sein mag, heute ist dieses Bowling-Center verlassen und verfällt – beleuchtet nur noch nur ein paar funzelige Baulampen für die, die hier ab und an noch nach dem Rechten sehen. Die ganz ideologiefreien Konkurrenten der Neuzeit haben diesem damaligen ideologischen „Fremdkörper“ wohl den Garaus gemacht. So viel dürfte doch feststehen.