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Verlassene Villa im Erzgebirge
Die Last des Reichtums oder wie viel braucht der Mensch zum glücklich sein? Unsere Gesellschaftsordnung ist darauf angelegt, dass wir möglichst fest daran glauben, viel mehr zu brauchen, als wir brauchen. Ich habe also bin ich! Der Löwe in der Serengeti zum Beispiel schnappt sich eine Gazelle, verspeist sie genüsslich mit seiner Familie und legt sich dann für ein Verdauungsschläfchen faul in die Sonne und denkt sich allerhöchstens: "Das war lecker". Wenn er dann nach 2-3 Tagen wieder hungrig wird, zieht er wieder los. Keinesfalls wird er sich je sagen, "wenn ich mich ranhalte, schaff' ich heut' vielleicht noch drei", denn er bräuchte ja eine Tiefkühltruhe, um den Vorrat aufzubewahren, für die er wiederum eine Behausung und dort Strom bräuchte. Für das alles müsste er dann noch mehr Gazellen jagen, um sie zu verkaufen, um sich die Tiefkühltruhe, das Haus und den Strom leisten zu können.
Keinem könnte ich jetzt übel nehmen, wenn er mir vorhält, was für ein Quatsch dieser Vergleich doch ist. Ich würde mir allerdings dann erlauben, mit einem "wirklich?" zu entgegnen. Bis auf eine minderheitliche Ausnahme weniger, verbringen die meisten Menschen täglich viele Stunden damit, einer Tätigkeit nachzugehen, die ihnen vielleicht nicht gleich grundzuwider ist, sie sich aber doch vieles vorstellen könnten, womit sie sich in dieser Zeit lieber beschäftigten. Sie müssen aber diese Arbeit verrichten und Geld verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, aber auch um sich all das leisten zu können, was Sie außerdem ach so dringend "brauchen".
Unser Wirtschaftssystem und die in und von ihm existierenden Firmen stellen allermeist immer wieder die gleichen Sachen her, die immer wieder nur ein bisschen anders aussehen und vielleicht noch ein bisschen komfortabler, kleiner, schneller, leiser, schicker oder was auch immer mehr sind. Besonders eindrücklich ist es in der Autoindustrie. Mir hat mal der Entwicklungs-Chef eines deutschen Autoherstellers gesagt, unsere Autos wären eigentlich schon längst völlig "ausingeniert" - soll heißen, seit Jahren verändern sie nur noch ihr Aussehen und abgesehen von ein paar technischen Raffinessen (die wer wirklich braucht?) bietet die Autoindustrie seit langer Zeit schon kaum noch etwas wirklich Neues. Trotzdem investieren gerade wir Deutschen unverhältnismäßig viel von dem Geld, das wir uns mühselig verdienen, in ein immer wieder neues Auto und meist sogar noch in Form von Kredit- oder Leasingraten, was den ganzen Spaß noch teurer macht. Manche definieren sich regelrecht über ihren fahrbaren Untersatz, den sie stolz vor der Garage ihres Einfamilienhauses postieren. Da fällt schon mal der Urlaub kleiner oder gar ganz aus, nur damit die Motorhaube des eigenen Wagens länger, der Auspuffdurchmesser größer und die Reifen breiter sind, als des Nachbars rollendes Statussymbol. Da werden Wertverluste von monatlich zig hundert Euro ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf genommen und ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was man alleine nur mit diesem Geld alles anstellen könnte, das die Lebensqualität vielleicht viel mehr und nachhaltiger steigert, als das möglichst große und neueste eigene Fortbewegungsmittel aus Blech und Chrom.
Ich kenne einige, denen würde es finanziell richtig gut gehen und die inzwischen schon monetär unabhängig sein und das süße Leben eines Privatiers genießen könnten, würden sie nicht das viele Geld, das sie durch viel Arbeit verdienen, nicht immer gleich in neue und immer noch größere Statussymbole investieren. Vor lauter zusammenraffen von immer noch mehr materiellem Reichtum spüren sie gar nicht, wie die Last dieses Reichtums immer größer wird und sie immer mehr leisten (arbeiten!) müssen, um das alles noch bezahlen zu können. So tanzen sie täglich die Tarantella unserer Konsum-Gesellschaft und merken dabei gar nicht, welch Irrsinn Opfer sie schon lange sind. Anders würde unser Wirtschaftssystem aber auch nicht funktionieren. Nur wenn wir immer wieder aufs Neue konsumieren, zirkuliert das Schmiermittel des Systems: das Geld.
Die verlassene Villa, auf die wir heute den Fokus unserer Kamera richten, ist ein altes Zeugnis und Symbol dafür, was man nicht braucht, aber haben kann, wenn man nur intensiv genug danach strebt, genug Geld aufzuhäufen, um sich eine derart opulente Heimstätte zu schaffen. Ob das Leben damit und darin einst ein erfüllteres oder gar glücklicheres war, will ich ganz für mich doch infrage stellen. Jedenfalls erfüllt uns der Anblick der überaus reich verzierten Räume diese Villa mit großer Freude ob der schönen Fotomotive, die sie so für uns bereithält. Wir bringen die Kamera in den verschiedenen Räumen in Position, machen unsere Bilder und verlassen nach einer ganzen Weile und uns ausreichend scheinenden Zahl an Sensorbelichtungen diese morbide alte Schönheit mit der Leichtigkeit des unbeschwerten Seins.
auri sacra fames.