Have any questions?
+44 1234 567 890
Verlassener Krankenhauskomlex in Berlin
Eine unbeschilderte, auf knappe Fahrzeugbreite zugewucherte Seitenstraße zweigt von einer der zahllosen Hauptverkehrsadern der Hauptstadt ab und führt zu einem riesigen verschlossenen und von der Witterung schon sichtlich gezeichneten Tor. Dies überwunden, breitet sich vor mir ein riesiges Arial aus. Fußballfeldgroße asphaltierte Freiflächen. Ein wuchtiger und weit verzweigter Gebäudekomplex, der sich erst auf den zweiten Blick in seiner ganzen Dimension erschließt. Problemlos und ohne weitere Kulissenbauten könnte man hier eine der unzähligen Sendungen "soundsoviel Jahre nach dem Menschen" drehen. Ein bisschen mit der Kamera wackeln, ein paar Verzerrungs-Effekte einblenden - fertig. Dieser Koloss aus Beton, Stahl und Glas war zu Zeiten der DDR kein gewöhnliches Krankenhaus. In der damals so proklamierten klassenlos-sozialistischen Gesellschaft war das Gesundheitssystem für ausgewählte Genossen durchaus erstklassig. Ein ganzer Gebäudetrakt war ausschließlich dem Polit-Kader vorbehalten. Wenn Honecker & Co. einmal etwas erster erkrankten, ließen sie sich hier wieder aufpäppeln - völlig abgeschirmt von der Außenwelt und vor allem auch von den "gewöhnlichen" Patienten dieses Krankenhauses. So zeigte sich besonders an diesem Ort, dass, wenn es darauf ankam - und das tut es ja spätestens, wenn es um die Gesundheit geht - in der DDR nur prinzipiell alle gleich waren, einige doch deutlich "gleicher". Darin zumindest hat sich die DDR doch auch nur sehr wenig vom verteufelten Westen unterschieden. So gab es den Begriff des "Bonzen" auch im Osten, wobei man damit hier eher jemanden mit besonderen Privilegien aus opportunistischem, systemkonformem Verhalten als weniger jemanden mit viel Geld gemeint hat, was eher der westlichen Definition entsprach. Im Ergebnis kommt es aber auf genau das gleiche hinaus: es besser haben und mehr bekommen als die anderen und das nicht selten auf deren Kosten. Die klassenlose Gesellschaft wird wohl überhaupt eine Utopie bleiben. Der Mensch scheint wohl auch in seinen archaischen Grundanlagen nicht zum Leben in einer solchen Gesellschaft geeignet zu sein. Er ist eben 'Jäger und Sammler' und kein sich einer Herde ergeben unterordnendes Tier, das eins wird mit der Masse und nicht nach mehr strebt, als diese für jeden übrig lässt. Ob das alles letztlich dem Anspruch eines hochzivilisierten Miteinanders entspricht darf man sicher diskutieren. Außer Diskussion steht, dass die Zeit dieses riesigen Krankenhauses vorbei ist. In Zeiten, in denen Krankenhausbehandlungen primär aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet und bewertet werden und Krankenhäuser danach streben, nur lukrative Behandlungen bzw. entsprechende Patienten in ihren Zimmern liegen zu haben und bei nur gering bezahlten Behandlungen schon mal eine "blutige Entlassung" vorgenommen wird, ist es eine zwingende Folge, dass Krankenhäuser regelrecht pleite gehen. Ob das alles so richtig ist, wäre auch eine Diskussion wert.