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Verlassenes Hotel-Ressort auf Kreta
Zur prekären Situation der Griechen ist nach meinem Eindruck schon lange alles gesagt, nur wohl noch nicht von jedem. In den Medien zigfach durch- und ausgekaut, dürfte es inzwischen auch dem letzten ins Geschichtsbewusstsein eingebrannt sein, dass Griechenland pleite war oder vielleicht immer noch oder auch schon wieder ist. Der Fortgang der Geschichte wird es zeigen. Auf die geld-, fiskal- und wirtschaftspolitischen Hintergründe will ich hier nicht eingehen. Das sei den einschlägigen Experten überlassen. In teilweise epischer Breite wurde und wird sicher auch noch erklärt, wie es zu all dem kam, warum es vorhersehbar gewesen sein hätte müssen, wie man es vermeiden hätte können und was zu tun wäre, damit Wiederholungen und/oder Weiterungen verhindern werden könnten. Diese Experten-Konjunktive lasse ich also gerne dahinstehen und warte beobachtend interessiert ab, was noch alles so passiert.
Was mich mindestens genau so beschäftigt, wie das den Griechen ausgegangene und weiter fehlende Geld, ist, wie es dem einzelnen Griechen dabei geht. Wie er sich fühlt. Meine Frau und ich sind gerade auf Kreta (Juni 2014). Trotz des aufpolierten und damit nicht unerheblichen Zerr-Bildes für den umworbenen Touristen, kann man doch sehen, dass vieles hier nur notdürftig „überpinselt“ ist. Schaut man mal da und dort um die Ecke, sieht man recht unverstellt die Folgen der Finanz-, Wirtschafts-, oder wie auch immer bezeichneten Kriese, in der das kleine Land steckt. Wir sprachen zum Beispiel mit dem Wirt einer kleinen Taverne in den Bergen. „Früher“, sagte der sonnengegerbte und sehr sympathische vermutlich Endfünfziger, „hatte ich hier die ganze Terrasse voller Tische und jeder war besetzt.“ Wir saßen vor Tagen an einem von gerade mal zwei aufgestellten Tischen. An dem einen saß der Wirt, ein paar ebenso verwitterte Kumpanen, an dem anderen wir. Das zehrt doch nicht nur an den finanziellen Ressourcen sondern auch am Lebens- und nicht zuletzt am Selbstwertgefühl dachten wir uns! Aber trotz dem: Wir erleben die Kreter als ausgesprochen gastfreundlich, offen und herzlich. Man begegnet einem ohne Vorbehalte mit einem Lächeln. Alles scheint echt und frei von Absichten, außer vielleicht der, dass man ebenso offen und herzlich ist – ebenso ohne weitere Absichten. Ob zum Beispiel die Gastronomen auf Sylt ihren Gästen in ähnlich misslichen Rahmenbedingungen ebenso begegnen würden? (Liebe Sylter, nur ein beliebiges Beispiel! Bei Missfallen gerne austauschbar gegen Rügen, Helgoland, Fehmarn, Föhr, Pellworm, Poel, Borkum, Amrum, Hiddensee, Wangerooge, oder, oder … ).
Und was es wohl dann doch für eine Überwindung kosten muss, den letzten Gästen in diesem riesigen, heute seit Jahren geschlossenen Hotel-Ressort mit der gleichen Freundlichkeit und Aufmerksamkeit zu begegnen, als wären sie die ersten. Dass hier einiges im Argen liegt, sieht man an dieser eigentlich schönen Anlage und vor allem auch an ihrer direkten Strandlage. Die ausladende und sehr schön gestaltete Pool-Landschaft ist von einem langen Sandstrand nur wenige Schritte entfernt. Möge es den Kretern und den Griechen an sich bald wieder besser gehen. Die Wiege der europäischen Demokratie und das Land so vieler bedeutender Philosophen und schlicht liebenswerter Menschen hätte es mehr als verdient.