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Verlassenes Logenhaus der Freimaurer
Ein Totenschädel neben einer verrinnenden Sanduhr im schummrigen Schein einer brennenden Kerze. Der Rest des Raums gehüllt in die Farbe der Finsternis - tiefes Schwarz, in dem sich der Blick orientierungslos verliert.
Das ist keine Passage aus einem Grusel-Roman, sondern die sachlich zutreffende Beschreibung der Szenerie im Aufnahmeritual des Geheimordens der Freimaurer. Schon seit jeher ist dieser Geheimbund, in dem es zu einer der obersten Pflichten gehört, über die Namen der ihm angehörenden sogenannten Brüder unter allen Umständen ewiges Stillschweigen zu bewahren, eine ergiebige Quelle für Mythen und allerlei Verschwörungstheorien. Ganz grundlos ist das freilich nicht, wenn man sich die Liste derer ansieht, deren Mitgliedschaft doch bekannt geworden ist und die nicht unerheblichen Einfluss auf das Weltgeschehen genommen haben. So zum Beispiel der preußische König, Friedrich der Große, der erste Präsident der vereinigten Staaten, George Washington und sein späterer Nachfolger, Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister, der Großbritannien durch den Zweiten Weltkrieg führte, Winston Churchill, der Reichskanzler in der Weimarer Republik, Gustav Stresemann oder auch Johann Wolfgang von Goethe und Wolfgang Amadeus Mozart. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen mit weiteren, nicht minder prominenten Mitgliedern. Sie alle waren Brüder im Geiste der Freimaurerei. Wieviel von dem, was man diesem jahrhundertealten Bund so verschwiegener wie einflussreicher Männer zurechnet, Dichtung und wieviel davon Wahrheit ist, wissen wohl nur die wenigen Großmeister, die über viele Jahre in den innersten Zirkel der Gemeinschaft aufgestiegen sind und so ihre innersten Geheimnisse kennen.
Kein Wunder, dass Staatsoberhäupter, die machtlegitimierenden Plebisziten eher ablehnend gegenüberstanden, auch den größten Argwohn hegten gegen die Vereinigung, die sich so gar nicht in die Karten kucken ließ und bis heute lässt. Das Ergebnis war dann immer das gleiche: das Verbot - ob im Dritten Reich oder den verschiedenen sozialistischen Diktaturen. Erreicht hat man damit das ganze Gegenteil dessen, was man beabsichtigte. Die Freimaurer schlossen nur noch mehr ihre Reihen und hielten sich noch mehr im Verborgenen und ihre Organisation geheim. Es darf vermutet werden, dass aus diesen Verboten die Freimaurer nur noch weiter gestärkt hervorging.
So gibt es diese geheimnisumwitterte Gemeinschaft bis heute und ebenso bis heute weiß man nicht wirklich viel über sie und ihre Mitglieder. So wissen wir auch nicht, warum dieses Logenhaus schon vor vielen Jahren aufgegeben wurde. Ein weiteres kleines Rätsel, dessen dem Verfall anheim gegebenes bauliches Zeugnis unser heutiges Ziel ist.
Es geht mal wieder in Richtung Erzgebirge und dort in ein beschauliches kleines Bergstädtchen, in dessen Randlage in einer ruhigen Seitenstraße die inzwischen stark eingewachsene Villa liegt, die einst als Logenhaus diente. Wir fahren direkt vor dem schönen klassizistischen Eingangsportal vor, das uns sogleich nur noch neugieriger auf die Innenansichten macht. So treten wir ohne zu zögern ein. Unvermittelt entdecken wir große stuckverzierten Räume. Wir stellen uns vor, wie die diskretionswürdigen Herrn im Schutze dieses alten Herren-Hauses ihre geheimen Riten zelebrierten. Ganz in schwarz gekleidet, jedoch weiße Handschuhe und als Kopfbedeckung einen schwarzen Zylinder – so begegnete man sich in diesem Haus und gab sich der geheimnisgeschwängerten Atmosphäre hin, die hier herrschte. Die Logenbrüder verschwanden, den Spirit of Mysticism haben sie da gelassen – zumindest durchaus noch spürbare Reste davon. Das ganze Gebäude besteht abgesehen von den Räumen, die dazu dienten, auch hier notwendigerweise der menschlichen Natur ihr Recht zu geben, nur aus solchen, in denen die Logenbrüder ihren rituellen Austausch übten und so gemeinsam nach den jahrhundertealten Regeln der Freimaurerei ihre Persönlichkeit ausprägten. Beeindruckt von dem, was hier im Geheimen stattfand und was keiner erfuhr, geschweige denn je sah, außer er war einer von ihnen, machen wir unsere Fotos.
Auf dem Rückweg sinnieren wir noch länger über die Freimaurer und andere geheime Bünde und Organisationen und was ihre Jahrhunderte überdauernde Existenz wohl ausmacht. Uns scheint es im wahrsten Wortsinne an ihrer Unfassbarkeit zu liegen, also daran, dass diese Verbindungen für ihre Feinde unsichtbar und damit eben un-fassbar sind. Es mag auch an der inneren Stärke der Organisation liegen, die sich aus gemeinsamen Werten und Grundüberzeugungen nährt, die jedes Mitglied dem anderen besonders nahe sein lässt – eine gemeinsame Basis, die sehr belastbar ist, Halt und Orientierung gibt. Schließlich mag es auch an der Erfüllung von Sehnsüchten nach ewiger oder absoluter Wahrheit oder einem erfüllenden Sinn des Lebens liegen, dass einem solchen Geheimbund die Zeit und ihre Veränderungen scheinbar nichts anhaben kann, dass er ein Hort unbedingt verlässlicher Stabilität und Kontinuität ist, der gegen alle äußeren Einflüsse gänzlich immun zu sein scheint.