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Das Sterben der Discosaurier

105 Db, 120 bpm, 100-W-Laser bei min. 30 °C Raumtemperatur. Was sich eher anhört wie die Bestandteile einer komplizierten physikalischen Formel, waren einst die Zutaten für ein gelungenes nächtliches Klang- und Lichtmenü, zubereitet von einem DJ, der sich darauf verstand, eine Großraumdiskothek damit zum „Kochen“ zu bringen.

Riesig waren sie, die Schmelztiegel des nächtlichen Amüsements, auf deren fast tennisplatzgroßen Tanzflächen die Feierwütigen zu einer einzigen großen Woge zu verschmelzen schienen, die von den hämmernden Beats aus den haushohen Boxen immerfort rhythmisch aufgewühlt wird. Sie befanden sich nicht selten weit vor den Toren der Stadt, damit für alles genug Raum war – angefangen von den vielen parkenden Autos bis zur Lärmemission, die dort draußen nur Fuchs und Hase um den Schlaf brachte.

Alles begann einmal im New York der 60er Jahre, als die „Plattenansager“ sich häuteten zum „DJ“ (Disk-Jockey). Der Mann (es waren mutmaßlich zu 99,9 % männliche DJs) hinter den Plattenspielern legte das Mikrophon beiseite und verstummte. Stattdessen ließ er das Ende eines Musikstücks in den Anfang des nächsten "überlaufen" und das so gekonnt, dass das Publikum ohne Unterbrechung weitertanzen konnte, was er nicht nur aber auch dadurch erreichte, dass er die Beats der beiden Stücke synchronisierte und so keiner beim Tanzen aus dem Takt geriet. Das Mixen war erfunden.

In den folgenden Jahrzehnten überzog die Disco-Welle nahezu den kompletten Globus und die modernen Tanztempel wurden immer größer und fantasie- wie effektvoller ausgestattet – es blitzte und blinkte aus allen Ecken und Enden. Auch hierzulande konnte ein Kaff nicht klein und abgelegen genug sein, als dass es nicht eine Dorfdisco gab, vor der sich an jedem Wochenende lange Schlangen bildeten.

Seinen Zenit erreichte die Welle mit der in den 80er Jahren wiederum in den USA entstandenen Hous-Musik. Marshall Jefferson's "Move Your Body", Farley "Jackmaster" Funk's "Love Can’t Turn Around" oder Fingers Inc. feat. Robert Owen's "Can You Feel It" wurden Hymnen ihrer Zeit und Szene. Und wenn's mir erlaubt ist, an dieser Stelle anzumerken: es waren auch die Hymnen meiner Zeit - oh ja, es war eine fantastische Zeit!

Für viele junge Menschen dieser Zeit bestand das Leben oder jedenfalls sein wesentlicher Sinn nur aus den Wochenenden. Montag bis Freitag galt es irgendwie zu überbrücken.

Freitagabend, 19:00 Uhr. Durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Badezimmer x 3. Mit Freunden treffen,zusammen was essen, um für den weiteren Fortgang des Abends eine gute Grundlage zu schaffen und, auch wenn man es damals noch nicht so nannte, mit einigen Gläschen schon ein wenig "vorglühen" und die Stimmung aufheizen. 22:00 Uhr. Parkplatzsuche vor der Disco. Nicht weil man wirklich glaubte, direkt vor dem Eingang noch einen Parkplatz zu finden, ist man natürlich trotzdem erst mal an selbigem vorbeigefahren. Fenster auf, Arm raus, Musik an. Immer die gleichen Rituale, die dazugehören, die in den Abend erst so richtig einstimmten. Einreihen in die Schlange. Hallo – Bussi links – Bussi rechts. Lustig machen über das komische Outfit von dem dicken mit der Brille. Am Türsteher vorbei, von dem man nichts zu fürchten hatte, wenn man nicht gerade in Jeans und Turnschuhen vor ihn tritt. Am Kassenschalter, der auch der eines Hallenbades sein könnte, den durch einen Stempelaufdruck auf den Handrücken quittierten Eintritt bezahlt und dann einfach den Bassschlägen folgen. Mitten rein ins riesige Getümmel. Bunte Lichter zappeln durch den ansonsten dunklen Raum und schneiden sich durch die nikotinschwangeren Rauchschwaden. Wodka Lemon, Batida Orange oder einfach nur ein Bier wird der sich durch die Massen schlängelnden Bedienung zugerufen, die einen auf wundersame Weise sogar mit dem bestellten Getränk wiederfindet. In der Mitte des Raums eine kleine,von zerkratzten Plexiglasscheiben umschlossene Kanzel. Zwei Plattenspieler, ein mit vielen Reglern und Knöpfen gespicktes Mischpult dazwischen und dahinter der, der für den Abend den Ton an- und den Takt vorgibt. Der DJ. Neben ihm, so ein bisschen in der Position des Assistenzarztes bei einer Operation, der Steuermann für die Lichtanlage – das Auge hört ja schließlich mit. Unter den beiden eine im Takt wogende riesige Menschenmasse. Jeder Bassschlag scheint wie der Stromimpuls aus einem Defibrillator zu wirken, der in den Beinen der tanzenden automatisch einen Muskelreflex auslöst. So ging es dann stundenlang bis tief in die Nacht und der Beat hämmert ohne die kleinste Unterbrechung - the pulse of the night.

Das war die Zeit der Großraumdiskotheken. Tausende versammelten sich freitags und samstags zum kollektiven Feiern. Eintauchen und sich fallen lassen in ein Meer aus Musik und Licht – Eins werden mit dem großen Schwarm, der sich genussvoll von der Strömung des Abends mitreißen lässt. Bis in die späten 90er waren die großen Tanzpaläste der Neuzeit die erste Wahl, wenn es darum ging zu feiern, zu tanzen – Spaß zu haben.

Was letztlich ausschlaggebend für das Ende der Ära der Großraumdiskotheken war, ist umstritten. Einer dereinen solchen „Laden“ über weit mehr als 20 Jahre erfolgreich betrieben hat und es deswegen eigentlich wissen dürfte, hatte folgende, zumindest mir sehr einleuchtende Erklärung: Ein wesentlicher Hauptzeck sei weggefallen, nämlich der des „Kontakthofs“ für die zwanglose zwischengeschlechtliche Annäherung mit gleichzeitig großer Auswahl. Es war die Zeit noch weit vor Facebook, Instagram oder gar Kontaktbörsen wie Tinder & Co. Man hat sich nicht bereits digital gefunden und verabredet, man ging alleine oder mit gleichgeschlechtlichen Freunden aus,mit dem Ziel, dem anderen Geschlecht über den Abend und seiner fortschreitenden Ausgelassenheit näher zu kommen. Rechtzeitiges Eintreffen erhöhte zudem die Chancen. Das sei vorbei. Heute trudelt ein Pulk an Pärchen irgendwann gegen 1:00 Uhr (frühestens!) ein, um noch ein bisschen abzutanzen – mehr nicht. Der Parketthandel an der nächtlichen Kontakt-Börse ist geschlossenund verdrängt vom elektronischen Hochfrequenzhandel über das Internet.

Sang- und klanglos haben sich die monumentalen Epizentren des ausgelassenen kollektiven Feierns und Tanzens aus dem Nachtleben aufgelöst. Übrig geblieben sind deutlich kleinere Szene- und Genre-Clubs, die ganz gezielt und deutlich mehr als früher wegen der dort (ausschließlich!) gespielten Musikrichtung angesteuert werden und das zu einer Zeit, zu der früher die Diskotheken eher ihre Türen schon wieder geschlossen denn geöffnet haben. Auch den DJs in diesen Clubs kommt heute eine deutlich größere Bedeutung zu. Es reicht schon lange nicht mehr, die Charts einmal quer und einmal längs herunterzunudeln. Eine wohl durchdachte Dramaturgie in der Zusammenstellung und Abfolge der Musikstücke und ihr perfektes Arrangement wird heute vom Publikum erwartet. Einige bleiben aber auch diesen neuen Tanzstätten ganz fern und sitzen lieber bei etwas leiseren Tönen und einem Aperol Spritz, Caipirinha oder einer Weißweinschorlein einer exklusiven Bar.

Für die Generation Smartphone ist die Zeit der alten Großraumdiskotheken nun schon fast ein Kapitel aus dem Geschichtsbuch. Sie kämen nicht auf die Idee mit dem Auto bis zu einer Stunde und mehr in die Walachei zu fahren, um dann eine weitere an einem Kassenhäuschen anzustehen, nur um dann mit tausenden anderen zu einer Musik zu tanzen, die ihnen bestenfalls zu 50 % gefällt, weil ja für alle was dabei sein soll. Ganz praktisch scheitert es außerdem schon daran, dass die meisten gar kein Auto und meist auch keinen Führerschein haben und auch nicht haben wollen.

So sind die Diskosaurier heute bis auf ganz wenige letzte Ausnahmen ausgestorben. Ihre riesigen Skelette sind da und dort noch zu sehen.

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